Anne, 24: 4x Vollnarkose, gar nicht mal so schlimm

Anne, 24: 4x Vollnarkose, gar nicht mal so schlimm

Vorneweg: Ich bin ein Angstpatient! Ich hatte das Glück, bisher noch keinerlei Probleme mit irgendeinem Zahn gehabt zu haben. Deshalb war allerdings die Entfernung aller 4 Weisheitszähne auf einmal für mich eine große Herausforderung.

Meine Zähne waren alle durchgebrochen und ziemlich kompakt. Ich hatte also keine wild verzweigten Wurzeln und keine tief im Kiefer verborgenen Zähne. Mein Zahnarzt hätte die vier auch gerne erhalten, als Stütze für eventuelle zukünftige Brücken. Allerdings hat es fast zehn Jahre gedauert, bis alle durchgebrochen waren und in dieser Zeit hatte ich etwa alle 3-4 Monte eine fiese Zahnfleischentzündung, die in die Mandeln und zurück wanderte. Das war ein Spaß! Noch dazu standen sie ein wenig nach außen gedreht, so dass ich mir ständig in die Wange biss.
Der Kieferchirurg fand dann außerdem heraus, dass die Zähne auf der rechten Seite die Beweglichkeit meines Kiefers einschränken und damit zu Verspannungen der Kaumuskulatur und zu meinem Tinnitus führen. Also mal ein recht ungewöhnlicher Grund zur Entfernung der Weisheitszähne.

Da ich nun mal ein Angsthase bin, fand das ganze in Vollnarkose statt. Das war eigentlich fast nett. Ich hatte eine sehr nette Anästhesistin, die sich entspannt mit mir unterhalten hat. Ich bekam sofort eine Decke, weil man ja in der Narkose gerne mal friert. Der Zugang war schnell gelegt und sie behauptete, mir schon mal was zur Beruhigung zu spritzen bevor es losgeht. Das nächste, woran ich mich erinnern kann, ist der Aufwachraum. Sie hatte mich eiskalt ausgetrickst und ich hätte darüber geschmunzelt, wenn ich meine Mundwinkel hätte bewegen können. Kurz darauf betrat meine Begleitperson den Aufwachraum und ich wurde schnell fitter. Ich hatte befürchtet mit Wattebergen im Mund aufzuwachen. Das war nicht so und es tat mir auch nichts nennenswertes weh (klar, die Betäubung wirkte ja noch). Noch dazu war ich von der Narkose noch ein wenig glücklich und verkündete ungefragt, dass es mir total gut ginge. Kurz darauf kam eine Schwester, die mir einen Becher Zuckerwasser mit 1,5 Ibuprofen 400 brachte. Das Schlucken der Tabletten ging schon mal völlig problemlos! Juhuu! Noch ein wenig später kam die Anästesistin, um nach mir zu sehen. Sie erzählte mir, dass Frau Doktor ja vorhin schon bei mir war… Darauf konnte ich nur mit einem „aha“ und sehr verwirrtem Blick reagieren, denn ich konnte mich an nichts erinnern. Das dachte sie sich aber schon und ging schmunzelnd davon, um Frau Doktor nochmal vorbeizuschicken. Die erklärte mir dann, dass ich in fünf Tagen zum Ziehen der Drainage wiederkommen soll und eine Woche später für die Fäden. Ich sollte wärme vermeiden, vorsichtig essen, aber ich durfte essen. Zu Milchprodukten sagte sie nur, dass ich Milch frisch von der Kuh vermeiden sollte. Das ist machbar! Alle vier Wunden wurden vernäht und in die unteren zusätzlich Drainagen eingelegt.
Danach gings nach Hause. Ich nuschelte zwar noch ein wenig, aber die Betäubung ließ schnell nach und damit kehrte meine Sprachfähigkeit zurück.

Allerdings kam damit natürlich auch der Schmerz. Es stellte sich aber schnell heraus, dass nur ein Zahn wirklich Probleme machen würde: der linke untere. An allen anderen war mit und ohne Schmerztabletten nichts zu spüren. Wunderbar! Aber schon allein für den einen Zahn habe ich brav die Ibu weitergenommen. Außerdem hatte sich antürlich meine linke Mandel ein wenig entzündet, was das Schlucken zusätzlich erschwert hat.
Der Problemzahn blutete aber den kompletten ersten Tag fast durchgehend nach, was mich ein wenig beunruhigte. An diesem Tag habe ich nichts weiter gegessen, was auch daran liegt, dass ich ein Feigling bin. Es wäre wohl gegangen, aber ich habe mich nicht getraut.
Gekühlt habe ich sehr viel. Ich hatte 4 von den Gel-Pads bereit gelegt. So hatten die Dinger auch ne Chance bis zum nächsten Einsatz wieder kühl zu werden. Gerade am ersten Tag war ein son Ding innerhalb einer halben stunde wärmer als meine Hand.

Die erste Nacht war ganz okay. Ich habe erhöht auf einem Kissenberg geschlafen. Darauf dreht man sich automatisch nicht auf die Seite, was eine Wange ziemlich wärmen würde. Kurz nach Mitternacht wachte ich auf, habe eine neue Dosis Schmerzmittel eingeworfen, etwas getrunken und weitergeschlafen.
Der nächste Morgen war dann doch etwas deprimierend. Man denkt ja, der erste Tag ist der schlimmste und danach kann es nur besser werden. Ist aber leider nicht so.
Am nächsten Tag kam die Schwellung (zum Glück bei mir aber nur sehr wenig), es kamen etwas stärkere Schmerzen in dem einen Zahn bzw. Loch, es kamen Kreislaufprobleme und das nervigste: Das Ende der einen Drainage hatte sich gelöst und wedelte beim Trinken und Schlucken wild in meinem Mund umher. Das hat mich beinahe wahnsinnig gemacht. Vor allem als ich den Mund noch nicht weit genug aufbekam, um das Ding mit der Zunge wegzuschieben.
Gleich am ersten Morgen habe ich mit dem Zähneputzen wieder angefangen. Das ging auch besser als erwartet. Mit einer kleinen weichen Zahnbürste kam ich fast bis nach hinten. Da schmerzte dann doch die Wange und die verdammte Drainage war im Weg.
Auch an diesem Tag habe ich viel gekühlt und wenig gegessen. Vor allem Wackelpudding, der schmeckt gut, macht aber leider nicht satt. So gab es dann abends eine ungetoastete Scheibe Buttertoast mit Butter und Salz. Ich brauchte dringend ein paar Elektrolyte! Das Brot pappt einfach nur zusammen und kann so ganz gut an den Wunden vorbeigeführt werden. Gekaut habe ich mit den Schneidezähnen. Sieht albern aus und dauert lange, aber funktioniert. 🙂 Die zweite Nacht war schon entspannter, allerdings wachte ich gegen 2 durch die Schmerzen auf. Also wieder nachts eine zusätzliche Tablette nehmen, dann gings weiter.

Der dritte Tag war dann der schlimmste. Morgens fühlte ich mich eigentlich ganz gut. Die Schwellung war zumindest nicht schlimmer geworden, ich war weder blau noch grün geworden, die Schmerzen waren mit Tabletten praktisch nicht zu spüren. Nur die Drainage nervte weiterhin. Gegen Mittag hat es mich dann aber umgehauen. Mein Kreislauf machte richtig Probleme! Ich konnte kaum fünf Schritte gehen, dann wurde mir schwindelig und die Problemwunde pulsierte. Mein Kiefer war unglaublich warm geworden und meine Körpertemperatur war angestiegen. Ich fühlte mich elend und hatte wirklich Angst, dass sich etwas entzündet hat. Gegen Abend legte sich das ganze wieder und ich fühlte mich wieder erstaunlich gut. Ein Vorgeschmack auf die nächsten Tage!

Die folgende Nacht war die erste, die ich durchschlafen konnte. Das war unglaublich viel wert und vor allem merkte ich am nächsten Tag einen deutlichen Heilungserfolg. Ich konnte die Schmerzmittelmenge reduzieren und die Einnahmen weiter auseinander ziehen. Ich habe das erste Mal (abgekühlte, ich durfte ja nichts warmes essen) Suppe zu mir genommen. Gegen Mittag machte der Kreislauf nur wenig Probleme, aber ich merkte ein neues Problem: oben links verspürte ich einen stechenden Schmerz, der die Mundöffnung sehr erschwerte und auch Berührung mit der Zunge tat höllisch weh. Nachforschungen ergaben: Mist, eine Aphte! Das hat mir jetzt gefehlt. Also von jetzt an Intensivbehandlung mit Kamillan. Brennt wie Feuer, wenn mans direkt drauf macht, aber es hilft! Am nächsten Tag war es schon viel besser, wenn auch noch nicht weg.

An diesem Tag versuchte ich auch, die Schmerzmittel wegzulassen. Das ging auch ganz gut bis zum Mittag. Dann kam wieder mein schon bekanntes Problem: Schwindel, Hitzewallungen und Pulsieren in der Wunde. Also doch wieder eine Tablette und ein Kühlpad. Damit wurde es dann auch schnell besser.

Dann sollte der Tag des Drainage-Ziehens kommen. Ich war heilfroh, da dieses Ding immer lockerer und ausgefranster wurde. Andererseits hatte ich wirklich Panik, dass sich das nicht nur widerlich anfühlt sondern auch wehtut. Kurz vor dem Zittern saß ich im Warteraum und traf dort nochmal meine Anästhesistin. Die war ganz zufrieden mit mir 😀 Das Ziehen dieser Streifen kann ich wirklich keinem empfehlen! Das war wohl das ekelhafteste Gefühl, das ich bisher hatte. Da das Zeug ja ziemlich reingestopft ist, merkt man praktisch jedes „Entfalten“ des Streifens in der Wunde. Ich hatte das starke Bedürfnis mit dem Kopf hinterherzugehen, da ja etwas aus meinem Körper gezogen wurde. Am Ende ein kurzes (wirklich nur minimales) Ziepen und dann hängt dieser glibberig gelbe Streifen da. Ih! Und das ganze jetzt nochmal…

Ich fragte Frau Doktor, ob ich denn jetzt mit diesen Taschen im Zahnfleisch besonders vorsichtig sein müsste. Sie guckte mich an als wäre ich völlig dämlich und meinte nur, dass das doch jetzt vollblutet und gar kein Problem ist. Ich bekam dicke Tupfer in den Mund und hatte damit das erste mal wirklich dicke Backen. Diese sollte ich dann alleine zuhause raus nehmen und dann die Wund komplett in Ruhe lassen – Spülverbot! Warum das ganze nicht direkt nach der OP vollbluten konnte, ist mir ein Rätsel.

Aus Feigheit ließ ich die Dinger länger drin als ich sollte und habe auch wieder nicht viel gegessen an diesem Tag.
Aber endlich war ich diese furchtbare Drainage los und siehe da: auch der Schmerz meiner Problemwunde war mit dem ziehen verschwunden!
Dafür blutete es über den Tag immer nochmal ein bisschen nach, aber nicht weiter tragisch.

Seitdem geht es mir gut. Ich habe fast wieder das Gefühl, dass mein Mund mir gehört. Ich habe zwar noch die Fäden drin (die einen nicht gerade leckeren Geschmack verursachen), aber die merke ich kaum. Der Unterkiefer ist noch warm, aber das muss wohl so. Der Kreislauf hat sich beruhigt, die Schwellung ist so gut wie weg und die Schmerzen sowieso. Höchstens nochmal ein leichtes Ziehen an der Naht bei einer blöden Bewegung des Mundes.

Das schlimmste war für mich in absteigender Reihenfolge:
1) Die Kreislaufprobleme
2) Die lockere Drainage
3) Das Ziehen der Drainage
4) Das Hungergefühl
5) Die Langeweile

Die Schmerzen waren echt nicht so wild und viel weniger schlimm als ich befürchtet hatte.

Zum Abschluss noch ein paar Tipps:
Viel Kühlen! Das hilft wirklich!
Viel Trinken, auch wenn es manchmal schwerfällt!
Regelmäßig die Schmerztabletten nehmen! Sie wirken auch entzündungshemmend.
Gleich wieder relativ normal Zähneputzen, um die Keime einzudämmen!
Lauwarmer Kamillentee beruhigt die Mundschleimhaut, sehr angenehm.
Wackelpudding geht immer! 😀

Also keine Sorge, das kann man gut überstehen!



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