Um meine Weisheitszahn-OP drücke ich mich seit mindestens zehn Jahren.
Mein Kieferorthopäde hat zu Zeiten meiner Zahnspange schon gesagt, dass wir bald mal einen Termin finden müssen, wo die unnützen Zähnchen entfernt werden – damals war ich 16 und hab mich einfach nicht mehr gemeldet, nachdem mir die Zahnspange entfernt wurde. So viele verschiedene Zahnärzte haben mir immer wieder gesagt: „Eilt nicht, sollten Sie sich aber nicht mehr viel Zeit mit lassen.“

Bis vor ein paar Wochen ist das auch noch gut gegangen. Irgendwann fühlte es sich in meinem Kiefer allerdings so an, als wäre da kein Platz mehr. Grundsätzlich dann, wenn ich mal reichlich zu lachen hatte, setzten Schmerzen ein, die mich daran erinnerten, dass da noch eine OP auf mich wartet. Hier muss ich erwähnen, dass ich glücklicherweise nur zwei Weisheitszähne im Oberkiefer habe.

Der Termin zur Voruntersuchung bei einem Kieferchirurgen in der Nähe war halb so wild. Er stellte mit Blick auf mein Röntgenbild relativ nüchtern und sachlich fest, dass das keine große Sache wird, ich mir keine Sorgen machen muss, eine Vollnarkose unnötig wäre und wir damit zügig durch sind. Termin gibt’s vorne bei der Anmeldung…bis bald!!

Einen Monat lang musste ich auf den Termin warten. Einen Monat hatte ich Zeit, mich mit dem Thema „Weisheitszahn-Extraktion ohne Vollnarkose“ auseinanderzusetzen. Die Zeit habe ich auch sinnvoll genutzt. Nicht nur, um mich schön unter Druck zu setzen, sondern auch um im Vorfeld allerhand Dinge vorzubereiten, die mir mein häusliches Lazarett hoffentlich erleichtern werden:

– wichtigstes Utensil: Die Zahnbürste mit den sanften Borsten aus der Apotheke
– Chlorhexamed zum Spülen (48 Stunden nach der OP)
– Bepanthen, für die wunden Lippen
– Cool Packs
– Wassereis
– Hühner- /Tomatensuppe
– Babybrei
– Bananen
– Ravioli
– Eier
– Wackelpudding
– Wasser / Eistee / Kamilletee
– Strohhalme

Einen Tag vor der OP hab ich meinen Kalender zugepackt mit Terminen. Erst spät von der Arbeit hab ich dann auch noch meine Freizeit-Termine so gelegt, dass ich erst sehr spät zu Hause war. Am Tag der OP (ich hatte den Termin an einem späten Mittwoch mittag) war ich am Vormittag auch noch im Büro. So hatte ich zumindest ein wenig Ablenkung von meiner Aufregung.
Meine beste Freundin (von der Sorte „wir gehen das alles mal ganz nüchtern an – besser du als ich“) hat mich zu dem Termin begleitet. Sie war total abgeklärt, hat mir gut zugeredet und zur rechten Zeit bestimmend zur Arzthelferin gesagt: „Ich kann doch mit rein, richtig?“

Meine Panik erreichte ihren ersten Höhepunkt, als ich in die „Kammer des Schreckens“ gerufen wurde. Mit „Pipi in den Augen“ schaute ich die Schwester an: „Dann legen Sie sich mal hier auf die Liege mit dem Kopf auf das grüne Tuch…. Und Sie müssen nicht weinen.“ Von da an ging erstmal nichts mehr. Meine Freundin durfte sich an das Fußende setzen und Händchen halten. Als der Arzt kam, sagte ich ihm direkt, dass ich nicht unhöflich sein möchte, aber ich ihm nicht die Hand reichen werde, da meine Hände vor Angstschweiß so nass waren. Daraufhin fragte er mich, wovor ich genau Angst habe. „Mir tut es wirklich leid, dass ich Ihnen das so sagen muss, aber um ehrlich zu sein habe ich unfassbare Angst vor Ihnen. Sie sind derjenige der die Instrumente bedient. Das reicht schon! Ich rede mir seit Tagen ein, dass Sie täglich mindestens zwölf Weisheitszähne entfernen und von daher wissen, was Sie tun und sicherlich auch Ahnung haben, wie man schmerzfrei die Betäubungsspritzen setzt.“ …als Antwort gab es die Betäubungsspritzen, weniger schlimm, als ich es mir vorgestellt habe. Es hat ein wenig gepiekst, gedrückt und gebrannt, aber alles ganz bestimmt auszuhalten.

Nach ein paar Minuten kam auch die nette Schwester wieder zu mir: „Und? Wirkt die Betäubung schon?“ – „Keine Ahnung, ob die Betäubung da wirkt, wo sie soll, aber betäubt ist einiges in meinem Mund.“ – „Das ist auch gut so, ich hab mit meinen Kolleginnen gewettet, dass ich in acht Minuten wieder bei denen bin!“ – „BITTE?? Acht Minuten? Für beide Zähne? Inkl. Fehlerfreies Zusammennähen?“ – „Ja, genauso wirds sein. Acht Minuten!“ Na dann…mal los:

Der Doc kam und machte mich darauf aufmerksam, dass ich gleich eine Art Druck spüren würde, was er aber nicht mindern kann. Wenn ich eine Pause zwischen den beiden Zähnen bräuchte, möge ich ihm ein Zeichen geben. Die Kopfhörer meines MP3 Players waren schon in den Ohren, es fehlte nur ein Knopfdruck zur musikalischen Ablenkung.

Von dem Schnitt ins Zahnfleisch habe ich nichts mitbekommen. Das Absauggerät war unglaublich laut, aber nichts im Vergleich zum Bohrer. Dieses Geräusch, ich wollte nichts damit zu tun haben und versuchte, meinen MP3 Player zu aktivieren – ohne Erfolg. Ich war so beschäftigt mit Angst, MP3 Player und meinen schweißnassen Händen, dass ich nicht bemerkte, wo der linke Zahn schon entfernt und der Doc bereits mit der anderen Seite beschäftigt war. Auch vom Vernähen der Wunden habe ich nichts gemerkt. Das einzig „Unangenehme“ war der Druck, der während dessen auch an den anderen Zähnen zu spüren war. In weniger als acht Minuten war ich tatsächlich schon auf dem Weg zur Anmeldung, um mir dort ein Rezept für Schmerztabletten, Kühlkissen und meine Krankmeldung abzuholen. Vorsichtshalber musste ich mein Auto auch nicht selbst nach Hause bewegen – mein Kreislauf war dann doch ein wenig neben der Spur. Neben ziemlich großem Durst, hatte ich das dringende Bedürfnis zu spuken – ich hätte mir vorher eine Küchenrolle ins Auto legen sollen.

Bereits in der Praxis habe ich mit dem kühlen der Schwellung begonnen. Zu Hause angekommen habe ich mich auch an die Kühlintervalle gehalten (30 Minuten kühlen // 20-30 Minuten Pause um das gesunde Gewebe nicht einzufrieren). Zwischendurch wurde mit Wassereis gekühlt. Nach ca. drei Stunden lies die Betäubung dann langsam nach, was ich als Anlass nahm, einen ersten Blick in den Spiegel zu werfen.

Ich war schockiert: Man sah nichts!! Es wirkte ein bisschen, als hätte ich in den letzten Wochen zu gut gegessen. Die Wangen waren ein bisschen kräftiger als sonst, wo aber keiner eine soeben durchgeführte Zahn-OP hinter vermutet hätte. Mit Verlaub gesagt, ich war ein wenig enttäuscht… Von Stunde zu Stunde setzte auch das Hungergefühl mehr und mehr ein. Die Auswahl an Gerichten, die einen hungrigen Menschen satt machen, ist leider stark eingeschränkt. Und mir war klar, dass ich von einem Gläschen Babybrei und einer Hühnersuppe sicher nicht satt werde. Am gleichen Abend der OP gab es für mich abends Ravioli. Das hat hervorragend geklappt. Präventiv gab es dazu eine 600er Ibuprofen, nicht aber, weil ich akute Schmerzen hatte. Zähneputzen war mit meiner neuen Errungenschaft kein Problem, übervorsichtig habe ich an allen Ecken und Kanten gebürstet.
Schlafen konnte ich in der Nacht nicht schlechter oder besser als gewöhnlich.

Da der Kieferchirurg mich für den Folgetag noch krankgeschrieben hat, konnte ich lange schlafen. Am nächsten Morgen gab es Milchbrötchen mit Butter und zwei weiche Frühstückseier. Auf Gemüse habe ich verzichtet. Auch zum Frühstück habe ich präventiv eine Schmerztablette genommen, meine zweite und letzte Tablette. Über den Tag verteilt gab es dann allerhand von dem weichen Zeug, mit dem ich mich vorher versorgt hatte: Babybrei, gestampfte Banane, Wackelpudding, Hühnersuppe, Milchbrötchen und reichlich Wassereis.

Freitag bin ich wieder im Büro gewesen. Sicherlich bin ich meine Aufgaben ruhiger als gewöhnlich angegangen und hab auch vermieden viel zu sprechen, aber ich war nicht weniger konstruktiv als sonst. Auch hier habe ich sehr darauf geachtet, zwischendurch ein wenig zu kühlen und Dinge zu essen, die leicht zu kauen sind. Schmerzen hatte ich glücklicherweise keine.

Am Wochenende habe ich sogar wieder ganz normal essen können (Fleisch, Brötchen, Gemüse, etc.). Rückblickend nach nun 5 Tagen kann ich sagen, dass ich glücklicherweise eine der Patientinnen bin, die eine Weisheitszahn-OP sogar empfehlen würden.

Aus meiner Sicht war die Panik im Vorfeld nur halb so wild und defintiv unbegründet.