Vorweg: Ich bin ein absoluter Angstpatient. Also ist es wahrscheinlich, dass „Normale“ die Dinge, die ich erlebt habe, vielleicht als nicht so gravierend erlebt hätten.
Ich machte schon zunächst den Fehler, allein und ohne Frühstück mit dem Auto, zur Extraktion zu fahren. Das würde ich euch nicht empfehlen, selbst wenn es sich nur um die örtliche Betäubung, wie bei mir, handelt. Die Wunde wird danach bluten (es sieht nach viel Blut aus, da es sich mit dem Speichel vermischt) und wenn ihr Probleme damit habt, das eigene Blut zu sehen oder zu spucken, ist das alles andere als angenehm. Aber erst zurück zur eigentlichen OP: Die war wirklich das kleinste Problem. Zwar war ich ziemlich angespannt und hatte nach der Spritze wohl deshalb auch Kreislaufprobleme, aber es ging sehr schnell. Bei mir wurde nur ein einziger teilretinierter (also nicht vollständig durchgebrochener) Zahn entfernt, der phasenweise für (im Vergleich, was in den nächsten Tagen wartete) sehr leichte Schmerzen gesorgt hat.
Ich habe nicht auf die Uhr geguckt, aber ich schätze, es hat allerhöchstens zehn, eher fünf Minuten gedauert, dann hatte ich es hinter mir. Wenn man die Augen schließt, ist es nicht viel schlimmer als eine „normale“ Zahnbehandlung. Ich spürte allerdings schon eine gewisse „Gewalteinwirkung“, die nötig war, um den Zahn herauszuholen. Der Arzt und die Helfer waren nett und ließen sich die Zeit – manchmal hätte ich mir aber mehr Erklärungen, was und wie gemacht wird, und eindeutigere Empfehlungen und Aufklärungen, nicht nur schriftlich, für die Zeit danach gewünscht.
Als ich fertig war, war ich erstmal erleichtert. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Doch die Stimmung kippte recht schnell: Ich sollte 20 Minuten (die Helferin sagte eine halbe Stunde, teilweise liest man auch länger) auf einen Tupfer beißen, damit die Blutung stoppt. Ich ging aus der Praxis, war allein in der Stadt und obwohl ich mich genau an die Vorschrift hielt, blutete es erstmal nach. Auf dem Tupfer war gar nicht mal so viel Blut. Es blutete zwar nicht sehr stark, aber stark genug, dass es sehr unangenehm war und mir Angst machte. Etwas verloren irrte ich durch die Innenstadt, ehe es erstmal nachließ und ich mich beruhigte. Ich stieg ins Auto und fuhr zu meiner Mutter, die in der Nähe der Praxis arbeitet, um mir etwas seelischen Beistand zu holen und mich ruhig hinzusetzen. Danach ging es dann nach Hause, wo mich die nächste (annähernd so starke) Blutung erwartete. Das dauerte dann ein paar Stunden, ohne „so richtig“ aufzuhören.
Insgesamt war der Speichel bis zum Abend des Tages nach der OP meistens leicht rötlich oder mit Blutbeimengungen. Muss man wissen, ist aber unproblematisch. Die Wunde ist bewusst nicht ganz dicht genäht, damit Wundflüssigkeiten abfließen können. Es wurde aber immer weniger.
Schlimm war für mich vor allem der extreme Verlust an Lebensqualität und die quälenden Gedanken, ob alles gut abheilt und seine Richtigkeit hat. Als „Kontrollfreak“ hat man es da echt schwer. Es gibt viele Internetseiten mit verschiedenen Ratschlägen, die sich teils widersprechen (Bsp. Milchspeisen nach der OP). Und es gibt fiese Komplikationen, die zumindest nicht extrem selten vorkommen und die ich mir gern ersparen wollte. Mit Lebensqualität meine ich vor allem das Essen, Reden und Schlafen. Man darf in der ganzen Woche keine feste Kost zu sich nehmen. Ich konnte da auch nicht mal drüber nachdenken, da die OP-Seite angeschwollen war und Kauen zunächst unmöglich war. Die Schmerzen waren nicht schön, aber mit Ibuprofen 400 sehr gut zu kontrollieren und fast auf null zu reduzieren. Eine richtig dicke, blau-grüne Backe blieb mir dann doch zum Glück erspart. Die Schwellung erreichte den Höhepunkt am Abend des Tages nach der OP – am nächsten, also am „dritten“ Tag ging sie dann schon stark zurück und ich konnte den Mund fast normal weit öffnen und freier bewegen.
Unangenehm war vor allem das geschwollene Zahnfleisch im Mund, dass sich neben der OP-Wunde AUF der Kaufläche des Backenzahns befand. Dadurch, dass ich nachts einmal versehentlich fest aufbiss, blutete es sofort, hörte aber schnell auf. Richtig kauen konnte ich nicht und die Naht erzeugte ein widerliches Fremdkörpergefühl. Dadurch dass die Naht an einer Stelle locker war, sammelten sich Speisereste an (nicht so appetitlich), die ich mühsam und vorsichtig entfernen musste.
In den zwei Nächten nach der OP konnte ich fast nicht schlafen, da mich z.B. auch ein penetranter, schwierig zu beschreibender Geschmack (salzig/käsig?) im Mund nervte und man sich leicht erhöht hinlegen muss, was für mich zum Schlafen sehr unbequem ist. Die Nächte sind relativ schlimm, wenn man aus dem Gedanken-/Angstkarussell nicht rauskommt und völlig überdreht ist. Auch die Schmerzen erschienen mir im Liegen schlimmer.
Update 13 Tage nach OP:
Drei Tagen nach der OP war der Schmerz ohne Ibuprofen auszuhalten, nach über einer Woche trat er nur noch sporadisch und kaum merkbar auf. Das Ziehen der Fäden war eine Tortur, da der Arzt zunächst seine Helferin vorschickte und die wie wild an den Fäden rumzog, sodass es schmerzte und leicht blutete. Sie holte dann den Arzt, der das Ganze besser konnte. Die Wundkontrolle fiel meiner Meinung nach aber sehr oberflächlich aus und für Fragen meinerseits blieb keine Zeit. Was blieb, war der Schleimhaut/Zahnfleischfetzen über dem Backenzahn: „Ich soll in ein paar Wochen noch mal kommen. Die Wunde heilt zwar, aber die Wundheilung ist etwas verzögert.“ Ein Faden hatte sich wohl zu früh gelöst, was dieses Problem verursachte.
In der kommenden Woche hatte ich weiterhin teilweise einen penetranten Geschmack im Mund. Es blutete einmal leicht, tat aber nicht mehr weh. Ich gewöhnte mich an normales Essen und Kauen, was gut klappte. Nach zwei Wochen hatte sich das lästige Zahnfleisch zurückgebildet – bei einem weiteren Kontrolltermin war alles okay. Der Arzt war an diesem Tag auch entspannter drauf.
Update 1 Monat nach OP:
Das Gefühl im Mund hat sich allmählich normalisiert. Gewisse Knubbel am Zahnfleisch sind fast weg. Allerdings merke ich immer noch ein kleines „Loch“ neben der OP-Stelle, in dem sich ab und zu (bei trockenem Essen, z.B. Popcorn) Reste verfangen. Nicht angenehm, aber ich hoffe, dass sich auch das bessert.
Meine Empfehlungen:
– Überschätzt euch nicht und geht (auch wenn ihr es ohne Narkose macht) niemals alleine in die Praxis
– Unterschätzt den Eingriff nicht. Es handelt sich um eine OP, keine einfache Zahnfüllung oder so
– Informiert euch vorher gründlich, was alles passiert. Es können viele unangenehme Empfindungen und Einschränkungen auftreten, die aber harmlos sind. Man sollte sich nicht davon überraschen lassen, wie ich es gemacht habe
– Geht offensiv auf euren behandelnden Arzt zu und stellt ihm Fragen. Ich bin da oft zu zurückhaltend
– Macht euch Gedanken, ob ihr den Eingriff wirklich braucht. Lasst euch bloß nicht prophylaktisch alle Zähne ziehen, wenn ihr empfindlich seid. Mit den anderen drei Weisheitszähnen hatte ich auch nie Probleme und sie sind normal rausgewachsen.
– Esst vorher das, was ihr am liebsten mögt. Ihr werdet diesen „Luxus“ womöglich eine längere Zeit vermissen.
– Verfallt nicht in Panik wegen Blut oder Schmerzen.